Weihnachtsgottesdienste im Corona-Jahr 2020 – Ergebnisse einer Online-Umfrage
In den Tagen vor Weihnachten 2020 wurde eine Online-Umfrage zu den Plänen durchgeführt, die Menschen im Blick auf die rituell-gottesdienstliche Gestaltung des Festes für sich hatten. Federführend waren personell Arndt Büssing (Professur für Lebensqualität, Spiritualität und Coping der Universität Witten/Herdecke) und Stephan Winter (Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Eberhard Karls Universität Tübingen), institutionell eingebunden zudem das Deutsche Liturgische Institut, Trier sowie IUNCTUS – Kompetenzzentrum für Christliche Spiritualität der PTH Münster. – Wenngleich die Ergebnisse keinerlei Anspruch auf Repräsentativität erheben können, sind sie doch hinsichtlich bestimmter Aspekte bemerkenswert.
746 Personen haben teilgenommen, von denen sich 55,7% als weiblich und 44,3% als männlich eingestuft haben; der Altersdurschnitt liegt bei 49 ± 15 Jahren. Hinsichtlich der regionalen Verteilung der Wohnsitze ist auffällig, dass innerhalb Deutschlands ein Schwerpunkt im Süden und Südwesten liegt, woher über ein Drittel der Teilnehmerinnen stammt, weitere ca. 13% ordnen sich Berlin und Brandenburg zu, in Hessen und Rheinland-Pfalz leben jeweils etwas über 5%, in Niedersachsen knapp 9 und in Nordrhein Westfalen knapp 25 %; die übrigen Teilnehmerinnen verteilen sich über weitere deutsche Bundesländer, Österreich, die Deutschschweiz, Belgien, Italien und Spanien. – Wichtig für die richtige Einordnung einiger Teilergebnisse sind die Konfessionen der Teilnehmenden: Wir haben mit unserer Umfrage vorwiegend Katholiken erreicht (73%), 6% sind evangelische Christen und 13% Adventisten, sowie 4% „andere“ und 4% ohne Religionszugehörigkeit.
Unser Schwerpunkt waren die Fragen nach dem Glauben als Halt „in schweren Zeiten“, nach der Häufigkeit des Kirchgangs / Gottesdienstteilnahme vor und während der Pandemie sowie danach, in welcher Form die Befragten an einem Weihnachtsgottesdienst teilzunehmen planten.
Für die meisten der Antwortenden ist ihr Glaube ein „fester Halt in schwieriger Zeit“ (75%; 20% sind unentschieden und 5% lehnen diese Aussage ab). 71% geben zudem an, in der Kirche engagiert zu sein. Der Glaube spielt also für die Mehrzahl der Teilnehmenden eine Rolle.
Was die Frequenz der generellen Gottesdienstteilnahme angeht, sagen 60%, sie gingen einmal je Woche in den Gottesdienst, 18% mehrmals im Monat und weitere 13% gehen immerhin noch „hin und wieder“ zum Gottesdienst; lediglich 10% gehen „fast nie“ bzw. nur an hohen Feiertagen. Die Verteilung innerhalb der Konfessionen ist hier interessant: Von den Katholik*innen sind es über 60%, die „wöchentlich“ angeben, unter den wenigen evangelischen Christ*innen 32,6%, bei den Adventist*innen 88,3% und in der Gruppe der „Anderen“ 59% (von ihnen gehen aber auch 17% fast nie zum Gottesdienst). Von den Konfessionslosen nehmen 54% „fast nie“ an einer entsprechenden Feier teil. – Nachdem damit ein grobes Bild erhoben wurde, wie es bei den Befragten um die Bedeutung des Gottesdienstes steht, insofern sie sich in der ansonsten üblichen Teilnahme widerspiegelt, wurde nach dem Gottesdienstverhalten unter Corona-Bedingungen gefragt.
Der Befund ist bemerkenswert, dass nach der (wenn auch eingeschränkten) Wiederaufnahme öffentlicher Gottesdienste 48,3% der Teilnehmenden angaben, in der für sie üblichen Frequenz Gottesdienste mitgefeiert zu haben, während 46,2% angeben, dies „deutlich weniger“ getan zu haben, lediglich 4,8% haben die Frequenz deutlich erhöht. Hinsichtlich dieser Aussagen gibt es zwischen den involvierten Konfessionen keine signifikanten Unterschiede. Rituell geprägte Handlungskontexte, die in physischer Kopräsenz konstituiert worden sind, haben demnach deutlich an Bedeutung eingebüßt.
Nimmt man hinzu, dass die Teilnehmer*innen der Umfrage sich selbst als wenig ängstlich einschätzen (bei einem mittleren Score von 29 ± 26 auf einer 100er Belastungsskala), sie sich aber durch die Pandemie in ihrem Alltag als eingeschränkt erlebten (mittlerer Score von 52 ± 25 auf einer 100er Belastungsskala), dann dürften die Gründe dafür eher damit zusammenhängen, dass sie die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie möglichst aktiv mittragen wollten.
Vor dem Hintergrund der üblichen Praxis der Teilnehmenden wurden die notwendigen Auflagen bei der öffentlichen Feier von Gottesdiensten in „Corona-Zeiten“ von vielen als Einschränkung/Belastung erlebt: von 39% sehr stark, von 37% etwas, von 24% jedoch nicht.
Auch wurde die insgesamt geringere Teilnahmefrequenz an Gottesdiensten keineswegs in größerem Umfang durch Besuche in Kirchenräumen außerhalb von Gottesdienstzeiten, „um dort zu beten eine Zeit in Stille zu verbringen“ etc. kompensiert: 43,7% haben dies „fast nie“, 29,6% „hin und wieder“, 12% mehrmals im Monat und 14,7% einmal pro Woche praktiziert. Der „fast nie“-Option haben bei den Katholik*innen nur 36,5% zugestimmt, bei evangelischen Christ*innen und Adventist*innen jeweils 61%, bei den „Anderen“ 66% und bei den Konfessionslosen 79%. Ob dies der höheren Bedeutung entspricht, die Kirchenräume insgesamt innerhalb der römisch-katholischen Tradition haben, ist unklar.
Jedenfalls war das anstehende Weihnachten auch von diesen Umständen her für 26% aufgrund der notwendigen Kontaktbeschränkungen „eine große emotionale Herausforderung“, für 47% jedoch nicht (27% waren hier unentschieden). Für viele war es aufgrund der Kontaktbeschränkungen „gerade deswegen eine besondere Feier“ (39%), für 40% jedoch nicht (21% waren hier unentschieden).
Wie sah es mit den Plänen aus, das „kirchliche“ Weihnachtsfest zu feiern? Eine Teilnahme an einem Weihnachtsgottesdienst, Krippenfeier o. ä. über digitale Medien (online) wurde von 28% geplant, in physischer Präsenz (in der Kirche oder an einem alternativ dafür angebotenen Ort) von 51%. Häusliche Gottesdienst-/Andachtsform (z.B. ökumenische Hausliturgie) an Heiligabend auf Basis einer kirchlichen Vorlage wurden nur von 10% geplant und in einer selbst zusammengestellten Form von 17%. Das ist u. a. vor dem Hintergrund, dass eine Fülle solcher Vorlagen erstellt und publiziert worden ist, doch etwas ernüchternd, zumal weitere 33% angaben, sie wollten einfach nur eine besinnliche Zeit zu Hause zu verbringen und 7% „gar nichts Besonderes“ planten. Angesichts dessen, dass doch der bei weitem größte Teil aller Befragten normaler Weise sehr regelmäßig oder zumindest an hohen Feiertagen entsprechend praktiziert, ist es doch erstaunlich, dass so viele sagten, sie wollten (aktiv mittuend oder schlicht anwesend) keine solche Feier in physischer Präsenz begehen – nicht in einer Kirche, nicht an einem alternativen Ort.
Hier war es interessant, diese Antworten noch einmal genauer auf die Konfessionen hin zu betrachten: 25% der katholischen Teilnehmende wollten Online-Angebote nutzen, 24% der evangelischen Christ*innen, jedoch 55% der Adventist*innen, sowie 27% der „Anderen“ und auch 21% der Konfessionslosen. Diese Unterschiede sind trotz der kleinen Fallzahlen in einigen Gruppen dennoch signifikant (p<0,0001, Chi2 Test). Demgegenüber wollten 61,6% der Katholik*innen, 32,6% der evangelischen Christ*innen und lediglich 25,5% der Adventist*innen eine solche Feier in physischer Kopräsenz besuchen.
Sucht man nach Gründen für diesen deutlich unterschiedlichen Positionierungen in Bezug auf Präsenz- bzw. Online-Feier, dann kann man anführen, dass innerhalb der deutschen Adventistengemeinschaft schon seit Längerem professionell digitale Gottesdienstangebote gestaltet und den Gemeinden ein sehr gutes Angebot für die Kreierung entsprechender Formate gemacht wird. So gibt es etwa eine Vielfalt entsprechender Fortbildungsangebote und Workshops (vgl. u. a. https://www.adventisten.de/covid-19/; https://bmv.adventisten.de/material/arbeitshilfen-fuer-gemeinden-in-besonderen-zeiten/1-online-gottesdienste/). Dies dürfte sich auf die Verteilung der kreativen Potentiale und das Nutzungsverhalten nun gerade vor Weihnachten, nachdem die Pandemie schon einige Monate angedauert hatte und entsprechende Erfahrungen gesammelt werden konnten, entsprechend ausgewirkt haben. Für die beiden Großkirchen und die einschlägig tätigen Stellen könnten die erhobenen (wie gesagt: nicht repräsentativen) Zahlen vielleicht ein Hinweis darauf sein, dass noch genauer geprüft werden muss, in die Erstellung welcher Medien/Materialien bzw. die Gestaltung welcher Formate zukünftig für die Bewältigung außergewöhnlich herausfordernder Situationen wie einer Pandemie mehr bzw. weniger investiert werden sollte. Ein weiterer Schritt wäre, daraus ggf. Folgerungen auch für den „Normalbetrieb“ zu ziehen.
Aber man sollte noch einen weiteren Befund ins Spiel bringen: den zur Zufriedenheit mit der Unterstützung in Corona-Zeiten durch Familie und Freund*innen einerseits und durch die Religionsgemeinschaft vor Ort andererseits, die man als Ressource ansehen könnte. 68,6% sind mit ihren Freundeskreisen und Familien als Ressource zufrieden oder sogar sehr zufrieden (und 13,9% immerhin „eher zufrieden“), jedoch nur 31,0% mit ihrer Religionsgemeinschaft. Hinsichtlich der Zufriedenheits-Scores gibt es keine signifikanten Unterscheide in Bezug auf die Konfession. Es ist bedenklich, dass der Religionsgemeinschaft vor Ort damit eine geringe Bedeutung hinsichtlich der Unterstützung in einer Krisenzeit zugesprochen wird. Zwar gibt es mittlerweile viele mediale Angebote, aber ob und wie diese bei der Mehrzahl der Adressat*innen ankommt, ist unklar. Unterstützung wird vielmehr im konkreten Familien- und Freundesumfeld gesucht als in der Religionsgemeinschaft. Die Zufriedenheit mit dem Zusammenhalt innerhalb der lokalen Glaubensgemeinschaft ist eher gering (9,0% sehr zufrieden, 19,1% zufrieden und 18,8% eher zufrieden).